Das offene Geheimnis

Mein Universum ist der Raum, der Raum zwischen den Akteuren, zwischen den Akteuren und den Objekten auf der Bühne, zwischen den Akteuren und dem Publikum. Diesen Raum will ich in Bewegung bringen, ich möchte, dass er fließt, dass er zirkuliert – wie Strömungen und Wirbel, Strudel im Meer oder in einem breiten Fluss. Jaques Templeraud


Es erscheint mir nicht zufällig, dass am Beginn eines Figurentheaterstückes oft kauzige, komische, spleenige Personen stehen, sowohl Spieler als auch Figuren. Sie haben Geheimnisse, leben mit Phantasiegestalten zusammen und sprechen mit den Dingen, als könnten diese sie verstehen. Sie scheinen einen geheimen Zugang zu der Welt zu haben, die hinter der Realität verborgen liegt.
Geheimnisträger sind interessante Figuren, denn in ihnen lodert ein Konflikt aus widerstreitenden Interessen: Einerseits wollen sie ihr Geheimnis wahren, es andererseits preisgeben. Gerade ein Geheimnis reizt den Besitzer zur Kommunikation, zur Offenbarung. Und mit der Offenbarung überwindet er seine Angst, zieht sein Publikum ins Vertrauen und verschwört sich mit ihnen. Er macht sie ebenfalls zu Geheimnisträgern, begibt sich in den Schutz der Gruppe, die Geheimniserkunder werden zu Eingeweihten, Wissenden, Freunden.
Das Geheimnis provoziert also seine Entdeckung. Es spielt mit der Lust des Zuschauers, mit der Spannung zwischen Erregung und Angst, zwischen erhoffter Befriedigung und befürchteter Bedrohung. Im Laufe des Stückes lüftet der Figurenspieler dem Zuschauer sein Geheimnis. Er nimmt ihn mit auf den Weg, so dass ihm das anfänglich Kauzige im Laufe der Zeit liebenswert und völlig verständlich wird. Und der Spieler tut gut daran, aus der schrittweisen Entdeckung eine abenteuerliche Reise in die Andere Welt zu gestalten. Er hält den Schlüssel in der Hand, mit dem die Tore dorthin zu öffnen sind.